Die Corona-Krise ist eine gesellschaftliche Krise

Edith Belz

Wer ernsthaft darüber nachdenkt, Lebensmittelgeschäfte künftig auch sonntags zu öffnen, hat nicht an die Belange der Menschen gedacht, die dort arbeiten. „Wir sind sehr froh, dass die Händler in Delmenhorst mehr Weitsicht zeigen und durchaus sehen, dass die Mitarbeiter*innen schon am Limit arbeiten, bemerkt Kreissprecher Manuel Paschke, „Wir hoffen sehr, dass dies auch in anderen Kommunen weiterhin der Tenor bleibt. Gleichzeitig unterstützen wir die Forderung der Gewerkschaft ver.di nach ausreichendem Schutz und alle nötigen Maßnahmen zur personellen Entlastung für die Beschäftigten.“

Jetzt ist die Zeit, sich zu solidarisieren. Ein Grund für die Mehrarbeit in den Supermärkten ist das Verhalten vieler Menschen, die meinen mit Hamsterkäufen Katastrophen vorbeugen zu können. „Unsere klare Meinung dazu“, so Kreissprecherin Edith Belz: „Hamsterkäufe schüren nicht nur Panik – sie sind in höchstem Maße egoistisch. Menschen, die sich nicht verrückt machen lassen aber vor allem Menschen, die es sich nicht leisten können mal eben einen Jahresvorrat an Lebensmitteln oder Hygieneartikeln anzuschaffen, stehen jetzt vor leeren Regalen während sich die Waren in anderen Haushalten bis zur Decke stapeln. Das ist alles andere als solidarisch.“

Und während Personal im Gesundheitswesen und in den Supermärkten sich zugrunde schuftet, müssen andere mit Beurlaubung und Kurzarbeit leben. Dass eine Kurzarbeitsregelung Betrieben Luft zum Handeln gibt, ist wichtig für diese zum Überleben, aber nur eine Seite der Medaille. Dass die Beschäftigten Lohnkürzungen in Kauf nehmen müssen, die andere. Es bleibt zu hoffen, dass die zugesagten Milliarden nicht nur Großkonzernen und Banken zugutekommen, sondern auch die erreicht, denen es versprochen wird: Kleine und Kleinstbetriebe, Soloselbstständige, Freiberufler, Kunstschaffende und alle anderen, die jetzt um ihre Existenz bangen müssen. Aber auch Familien, die jetzt weniger Einkommen haben oder ihre Kinder zuhause betreuen müssen.

Vor allem aber wird sich zeigen, welche Konsequenzen es haben wird, dass Krankenhäuser seit Jahren kaputtgespart werden und mehr als hunderttausend Pflegekräfte fehlen. In anderen Ländern ist jetzt schon zu beobachten, was passiert:
Krankenhäuser sind überlastet, Pflegekräfte erschöpft, Material zu knapp, es müssen Entscheidungen darüber getroffen werden, wer beatmet werden kann und wer nicht. CDU-Gesundheitsminister Spahn reagiert, indem er die Personaluntergrenzen aussetzt und die Situation für die Pflegenden noch schlimmer macht.  

Es ist lächerlich wenn Angela Merkel in ihrer Ansprache sagt: „Deutschland hat ein exzellentes Gesundheitssystem“. Gleichzeitig räumt sie ein, dass das System völlig überfordert wäre, würden kurzfristig zu viele Patienten eingeliefert werden.
Ein System, das durch Privatisierungen und Profitorientierung seit Jahren krankt. Vielleicht ist es machbar, in kürzester Zeit ein Intensivkrankenhaus aus dem Boden zu stampfen, ausreichend ausgebildetes Intensiv-Pflegepersonal gibt es damit noch lange nicht. Bis jetzt hat die Regierung noch keine ernsthaften Maßnahmen ergriffen, die dringen notwendigen Ressourcen für Krankenhäuser und Beschäftige bereit zu stellen. Jetzt ist die richtige Zeit dafür, jetzt und nach der Corona-Krise muss es heißen: Menschen vor Profite!

Egal, wann und wie die Corona-Krise irgendwann zu Ende geht – wir müssen politische Konsequenzen daraus ziehen. Erwerbstätige, Kulturschaffende, prekär Beschäftigte und Selbstständige oder Arbeitslose dürfen nicht den Preis für die Versäumnisse der Politik bezahlen.  

Und am Montag haben die Wochen gegen Rassismus begonnen.  
Während Deutschland weitreichende Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Krise ergreift, droht sich an den Außengrenzen der EU eine humanitäre Katastrophe zu ereignen. Allein im Geflüchtetenlager Moria auf der griechischen Insel Lesbos harren 20.000 Menschen ohne Zugang zu grundlegender Hygiene aus. Bricht die Epidemie in einem solchen Lager aus, wird es fast unmöglich sein, Ansteckungsketten zu unterbrechen. Deshalb müssen die überfüllten Lager auf den griechischen Inseln umgehend evakuiert werden. Heike Hänsel, stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, erklärt: "DIE LINKE teilt den dringenden Appell von 'Ärzte ohne Grenzen', die EU-Flüchtlingslager auf den griechischen Inseln zu evakuieren, sobald es die Corona-Eindämmung zulässt, damit es nicht zu noch mehr Opfern unter den 42.000 Asylsuchenden auf den griechischen Inseln kommt."
Auch hier ist unsere Solidarität gefragt.

Deutschland hat gerade humanitäre Aufnahmeverfahren von Flüchtlingen ausgesetzt. „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ – oder doch nur die Würde des Europäers?

Doch bei aller Vorsicht und Sorgsamkeit sollten wir alle eines positiv sehen – die zwangsverordnete „Entschleunigung“ einfach mal hinnehmen. Innehalten und darüber nachdenken, was wirklich wichtig ist wenn es nicht jederzeit und überall Ablenkung gibt. Solidarität und Respekt zeigen denen gegenüber, die Hilfe und Unterstützung benötigen und das eigene Ego auch mal hintenan stellen.